26.01.2010

 

Zweifelhafte Initiative - Ausstiegsprogramm für die Taliban

 

Ein Kommentar von Ratbil Shamel Ahang

 

Reden ist bekanntlich Silber, Schweigen jedoch Gold. Von dieser alten Weisheit will heutzutage keiner in der Kabuler Regierung wissen. Reden ist Gold, sagt der afghanische Präsident Hamid Karsai und zwar mit seinen Gegnern, den Taliban. Der Präsident erklärte in seiner jüngsten Rede, dass er ein Ausstiegsprogramm für kriegsmüden Taliban plane. Er sagte wörtlich: alle Kämpfer, selbst der Talibanführer Mullah Omar persönlich seien herzlich eingeladen, ihre Waffen niederzulegen und am Aufbau der afghanischen Gesellschaft mitzumachen.

 

Diese Idee ist nicht neu. Die afghanische Regierung arbeitet schon seit mindestens vier Jahren an die Wiedereingliederung der Talibankämpfer in die afghanische Gesellschaft. Zu diesem Zweck wurde eine eigenständige Behörde geschaffen, die direkt dem Präsidenten untersteht. Alle Versuche Kabuls jedoch, durch finanziellen Anreiz die Taliban zu schwächen sind bislang erfolglos geblieben.

 

Doch neu an der der ganzen Debatte ist nun, dass viele westliche Staaten, darunter auch Deutschland, bereit sind, mit Millionenbeträgen den alten erfolgslosen Weg Kabuls noch einmal zu gehen. Der Westen scheint des Kämpfens müde zu sein und greift nach jedem Strohhalm. Präsident Karsai ist wegen der unterstützenden Signale aus dem Westen begeistert. Seiner Ansicht nach werden viele Talibankämpfer, jetzt wo der Westen auch mitmacht, ihre Waffen niederlegen, der Gewalt abschwören und zu aktiven Mitgliedern der afghanischen Gesellschaft werden. Doch weit gefehlt. Zu kurz und einfach gedacht. Wer glaubt, die Talibankämpfer mit Geld zu kaufen, kennt die Strukturen und Beweggründe dieser radikalislamischen Organisation zu wenig.

 

Die Taliban kämpfen nicht für Geld, sie kämpfen auch nicht für die Befreiung Afghanistans, sondern für den Sieg des Islams über die Gottlosen. An freiwilligen Rekruten fehlt es den Taliban nicht. Die meisten jungen Leute in Afghanistan und vor allem in den Grenzgebieten Pakistans sind arbeits- und perspektivlos. Ihre Zahl reicht an die Millionen. Viele von ihnen sind fanatisiert und bereit, für das Reich Gottes im Paradies ihr Leben hier auf  Erden zu opfern.   

          

Die Taliban haben stets jeden Friedensvorschlag Kabuls abgelehnt. Sie haben bislang Präsident Hamid Karsai und seine Regierung nicht als Gesprächspartner anerkannt.

 

Keine Frage, nicht jeder, der in Afghanistan gegen die Regierung kämpft, ist ein fanatischer Kämpfer, doch wer heute des Geldes wegen seine Waffe niederlegt, wird es morgen aus dem selben Grund wieder in die Hand nehmen.

 

Die Millionen Dollars, die nun für dieses sogenannte Ausstiegprogramm verpulvert werden, werden dringend in anderen Bereichen benötigt. Afghanistan ist wirtschaftlich am Boden, trotz acht Jahren Wiederaufbau. Die meisten Menschen leben immer noch ohne Strom, ohne sauberes Trinkwasser und ohne die Aussicht auf einen Job. Zudem sehen sich die Menschen einer korrupten Regierung gegenüber, die kaum in der Lage ist, die Probleme der Menschen zu lösen. Die Afghanen verstehen auch nicht, warum die internationale Gemeinschaft so zaghaft beim Aufbau der afghanischen Armee und Polizei vorgeht.

 

Ein Programm für den Ausstieg aus Korruption und falscher Wiederaufbaupolitik wäre viel wichtiger. Wer den Menschen in Afghanistan eine bessere Zukunftsperspektive bieten kann, wird den Schlüssel für den Sieg gegen die Taliban und andere Extremisten in dieser Region in der Tasche haben.

 

Doch genug der Rede, auch das Schwiegen sollte ein Ende haben. Es sollten endlich Taten folgen, Taten auf die die Afghanen seit acht Jahren warten.