„Tiefen Respekt vor den Menschen in Afghanistan“

 

21.08.2009

 

Afghanistan nach den Präsidentschafts- und Provinzratswahlen

 

Von Ratbil Ahang

 

Afghanistan hat gewählt (20.08). Für welchen der 36 Kandidaten sich die Afghanen entschieden haben, steht aber noch nicht fest. Mit einem vorläufigen Ergebnis wird erst in drei bis vier Tagen gerechnet. Das endgültige Wahlergebnis soll erst Anfang September bekannt gegeben werden. Dennoch herrscht zurzeit im ganzen Land Erleichterung. Erleichterung darüber, dass die Taliban die Wahlen nicht verhindern konnten - trotz vieler blutiger Anschläge.

 

Die Taliban hielten Wort: sie taten alles, um die Wahlen zu stören. Die afghanischen Behörden berichten von insgesamt 134 bewaffneten Angriffen auf Wahllokale und Wähler. Landesweit gab es fast 50 Tote. Aber das hat die Menschen im Land nicht verschreckt. Fast überall im Land haben Männer und Frauen ihre Stimmen abgegeben. Die Öffnungszeiten vieler Wahllokale mussten wegen des Andrangs noch um eine Stunde verlängert werden. Wie viele Wahlberechtigte tatsächlich zu den Urnen gegangen sind, steht allerdings noch nicht fest. Die unabhängige Wahlkommission spricht zwar von einer hohen Beteiligung. Aziz Ludin, Vorsitzender der unabhängigen Wahlkommission will aber noch keine Zahlen nennen.

 

Ludin:  „Der Wahlverlauf war sehr gut. Ich hoffe, dass eine große Zahl der Afghanen an den Wahlen teilgenommen hat. Ihre Stimmen werden den Weg zu einer besseren Zukunft ebnen und das neue politische System in Afghanistan stabiler machen.“

 

Ludin bezeichnete die zweiten Präsidentschafts- und Provinzratswahlen als insgesamt frei und fair. Endgültig wolle er sich aber nicht festlegen. Das Land sei sehr groß. Er  habe noch nicht von allen der rund  6.200 Wahllokale Informationen erhalten. Ähnlich vorsichtig äußert sich die afghanische Stiftung für „Faire und Freie Wahlen“. Aussagekräftige Informationen über den Wahlverlauf in ganz Afghanistan werde es frühestens in ein bis zwei Tagen geben.

 

Kai Eide ist Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA. Eide spricht trotz aller Unwägbarkeiten von einem Erfolg: Gegenüber der Presse sagte er:  „Viele Leute haben sich gefragt, ob die Wahlen überhaupt stattfinden werden. Wir haben gesehen, dass es im ganzen Land sporadische Angriffe gab. Aber trotzdem gab es ordentliche Wahlen. Rund 6.200 Wahllokale waren geöffnet. Das war meine Meßlatte für den Erfolg dieser Wahlen. Ich glaube, es ist ein guter Tag für Afghanistan.“

 

 

Der UNO-Chefdiplomat in Afghanistan hebt zugleich hervor, wie wichtig es ist, dass die Wahlen breite Unterstützung unter den Afghanen gefunden haben.  „Ich habe großen Respekt vor allen, die für die Organisation und Absicherung der Wahlen gesorgt haben. Respekt vor all den Menschen, die hinausgegangen sind und bewiesen haben, dass sie diese Wahlen und den Fortgang der Demokratisierung wollen.“

 

Überrascht über die rege Wahlbeteiligung zeigen sich auch viele unabhängige afghanische Wahlbeobachter. Viele gingen davon aus, dass angesichts der desolaten Lage des Landes und massiven Drohungen der Taliban, die Wahllokale leer blieben. Der Publizist Baqi Samandar hat die Wahlen in Kabul als Beobachter eines der Kandidaten begleitet. Er fasst seine Eindrücke so zusammen: „In einem Wahlbezirk in Kabul war ich selbst Zeuge von drei Explosionen, dennoch sind viele Menschen gekommen. Sie alle sind die Gewinner dieser Wahlen.“

 

Wer tatsächlich als Sieger aus den Wahlen hervorgeht, wird erst in zwei Wochen offiziell bekannt gegeben. Bis dahin muss möglichen Beschwerden von Wählern und Kandidaten nachgegangen werden. So bleibt viel Zeit für Spekulationen. Die Wahlkampf-Teams des amtierenden Präsidenten Hamid Karzai und seines Rivalen Dr. Abdullah Abdullah haben bereits ihre jeweiligen Kandidaten als Wahlsieger ausgerufen. Viele gehen davon aus, dass erst eine Stichwahl im Oktober den künftigen Präsidenten bestimmen wird.